De-Mail und Justiz

Eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts beginnt mit einer Sensation:

Der Kläger hat persönlich mit einem am 3.4.2018 beim Bundessozialgericht (BSG) per De-Mail eingegangenen Schreiben „Prozesskostenhilfeantrag für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde … sowie der Revision …“ gestellt. Das Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 22.2.2018 wurde ihm am 28.2.2018 zugestellt.

Die Entscheidung (Beschluss vom 17.05.2018 zum Aktenzeichen B 8 SO 6/18 BH) ist für sich nicht spektakulär und folgt schlicht aus den Daten im zweiten Satz: Der Kläger hat die Monatsfrist des § 160a Abs. 1 Satz 2 SGG für die Nichtzulassungsbeschwerde versäumt und verliert schon deswegen. Überhaupt bemerkenswert aber ist der Beschluss wegen seines ersten Satzes, der ob seiner Schönheit noch einmal zitiert werden soll:

Der Kläger hat persönlich mit einem am 3.4.2018 beim Bundessozialgericht (BSG) per De-Mail eingegangenen Schreiben „Prozesskostenhilfeantrag für die Einlegung einer Nichtzulassungsbeschwerde … sowie der Revision …“ gestellt.

De-Mail! In freier Wildbahn! Am Bundessozialgericht! Es gibt sie also doch.

Und nicht nur theoretisch, als eine Schimäre, die durch tote Gesetze und trockene Beschlüsse wie die des VGH Mannheim (Beschluss vom 05.02.2018 zum Aktenzeichen A 11 S 192/18) geistert. Dieser hatte sehr akkurat bemerkt, dass seit dem 1. Januar 2018 auch die Berufungszulassung mittels De-Mail aus „sicherer Anmeldung“ heraus beantragt werden kann — was aber die Rechtsbehelfsbelehrung durch das VG Freiburg noch nicht vorgesehen hatte. Was Miriam Vollmer, Verwaltungsrechts-Anwältin aus Berlin, zur nur halb spöttischen Bemerkung brachte:

Geben Sie zu, auch Sie haben lange nichts von De-Mail gehört. De-Mail war als groß angelegter spezifisch deutscher Versuch gestartet, eine sichere und vertrauliche Möglichkeit für die elektronische Kommunikation einzurichten. Das System hat sich aber nicht durchgesetzt; ich zumindest kenne niemanden, der per De-Mail kommuniziert und dies beispielsweise auf seinem Briefkopf oder in anderer Weise nach außen trägt.

Angesichts dessen verwundere nicht, dass selbst für die Gerichte dieser „durchaus okkulte Weg“ nicht bekannt ist.

(Im Falle des VGH spielte De-Mail keine Rolle, wohlgemerkt: Niemand hatte sie benutzt oder hatte das vor, oder dergleichen. Sie steht nur seit Anfang des Jahres als theoretische Möglichkeit im Gesetz und muss daher auch, so der VGH, als solche in der Belehrung genannt werden, damit diese vollständig ist.)

[Nachtrag 2018-06-17] Gleiches wie für erstinstanzliche Urteil gilt auch schon für Widerspruchsbescheide, findet das Sozialgericht Darmstadt (Beschluss vom 23.05.2018 zum Aktenzeichen S 19 AS 309/18 ER): Auch diese müssen in ihrer Rechtsbehelfsbelehrung auf die Möglichkeit hinweisen, Klage per De-Mail einzureichen. [/Nachtrag]