Heckmann: De-Mail Achillesferse des EGov-Gesetzes?

Prof. Heckmann wiederholt und vertieft seine Kritik an der Bindung des E-Government-Gesetzes an die De-Mail. Diese begründe eine Notifizierungspflicht gegenüber der Europäischen Kommission. Eine Notifizierung hat es aber nicht gegeben. (Ebenso wenig übrigens beim E-Justiz-Gesetz, wie der zuständige Referatsleiter im BMJ Meyer-Seitz  im September 2013 beim EDV-Gerichtstag launig bestätigte: „Niemand hat die Absicht, das Gesetz zu notifizieren.“)

Der Aufsatz in der Septemberausgabe der MMR greift die bereits im Beitrag für die Legal Tribune Online vorgebrachten Argumente auf. Nach Art. 8 der sogenannten Informationsrichtlinie 98/34/EG

„übermitteln die Mitgliedstaaten der Kommission unverzüglich jeden Entwurf einer technischen Vorschrift”. Als „technische Vorschrift” definiert Art. 1 Nr. 11 der Richtlinie insbesondere „Vorschriften betreffend Dienste, … deren Beachtung rechtlich oder de facto für … die Erbringung des Dienstes, die Niederlassung eines Erbringers von Diensten oder die Verwendung in einem Mitgliedstaat … verbindlich ist”. Als „Dienst” wird wiederum jede „Dienstleistung der Informationsgesellschaft, d.h. jede in der Regel gegen Entgelt elektronisch im Fernabsatz und auf individuellen Abruf eines Empfängers erbrachte Dienstleistung” angesehen (Art. 1 Nr. 2 RL 98/34/EG). …

Die Erbringung eines Dienstes zur Übermittlung elektronischer Nachrichten, wie dies von klassischen E-Mail-Providern, aber auch durch Anbieter spezieller Kommunikationsdienstleistungen wie der De-Mail oder dem E-Postbrief angeboten wird, unterfällt unstreitig dem „Dienstebegriff” der Informationsrichtlinie. Vor diesem Hintergrund wurde auch der seinerzeitige Entwurf des De-Mail-Gesetzes der EU-Kommission angezeigt.

Entsprechend sei nicht nur die Änderung des De-Mail-Gesetzes notifizierungspflichtig gewesen, die mehr als nur redaktioneller Art gewesen sei. Vor allem aber sei die Verankerung der De-Mail im neuen § 3a Abs. 2 VwVfG anzuzeigen gewesen:

Mit dieser Vorschrift wird die De-Mail ausdrücklich als Schriftformersatz normiert. Das ist nicht nur neu, sondern hat auch eine überragende Bedeutung für die künftige Kommunikation mit der Verwaltung. Erst durch diese Neuregelung bekommt die De-Mail das Gewicht, das der Gesetzgeber mit dem ursprünglichen De-Mail-Gesetz politisch ins Auge gefasst haben mag, aber eben noch nicht gesetzlich festgeschrieben hatte. Das Gesetz zur Förderung der elektronischen Verwaltung ist auch ein Gesetz zur Förderung der De-Mail als Kommunikationsstandard und hat damit einen erheblichen Einfluss auf den Markt der Kommunikationsdienste. Dass andere Dienste und ihre Anbieter mit vergleichbaren Produkten nicht ganz ausgeschlossen sind, entlastet nicht, weil deren Marktzugang erst nach Erlass weiterer Normen (ohne Rechtsanspruch) möglich ist und diese selbst dann keine gleichberechtigte Stellung erwerben.

Im Ergebnis sei das Gesetz wegen des Anwendungsvorrangs europäischen Rechts nicht anwendbar. Staatshaftungsansprüche seien denkbar.

Der Beitrag mit dem provokanten Titel „Ein Gesetz zur Verhinderung der elektronischen Verwaltung?“ bezeichnet das Vorgehen der Bundesregierung als

„ein Spiel mit dem Feuer: Es kann gut gehen, nämlich dann, wenn die Notifizierungsfrage sowohl von der EU-Kommission als auch von den Normadressaten schlicht ignoriert wird. Was aber passiert, wenn das Gesetz tatsächlich als notifizierungspflichtig eingestuft wird? Die dann im Raume stehende Unanwendbarkeit des gesamten Reformpakets führte zu Rechtsunsicherheit und bedeutete dann tatsächlich eine Verhinderung der Verwaltungsmodernisierung durch fortschrittlichen Einsatz elektronischer Medien.“

Abschließend spricht sich Heckmann erneut für allgemeine Sicherheits- und Qualitätsstandards und gegen nationale „Insellösungen” aus. Er verweist diesbezüglich auf den Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die elektronische Identifizierung und Vertrauensdienste für elektronische Transaktionen im Binnenmarkt (KOM (2012) 238).

Heckmann, Ein Gesetz zur Verhinderung der elektronischen Verwaltung? – Folgen der unterlassenen Notifizierung des E-Government-Gesetzes, MMR 2013, 561.