Schriftformfunktionen und De-Mail

Nach der Darstellung der Schriftformfunktionen und der Erläuterung, ob und inwieweit elektronisch signierte Dokumente diese Funktionen zu erfüllen vermögen, entsprechendes zur De-Mail.

Auf die Übersicht der einzelnen „Schriftformfunktionen“ kann ich wohl nun verzichten. Statt dessen gleich: Die Funktionen der Unterschrift. Eine De-Mail enthält den Namen ihres (vermeintlichen) Absenders, so dass die Identitätsfunktion der Unterschrift erfüllt ist. Hinsichtlich der Abschlussfunktion gilt das nur eingeschränkt. Zwar schließt die De-Mail den Erklärungsinhalt „räumlich“ ab. Die Sicherheit, dass es sich hierbei aber nicht um einen Entwurf, sondern um etwas so willentlich in den Rechtsverkehr Gegebenes handelt, besteht nicht in gleicher Weise wie bei der Unterschrift. Das „Senden“ ist rascher geklickt als eine Unterschrift geschrieben. Selbst das Signieren ist ein „bewussterer“ Akt. (Nicht umsonst bieten diverse E-Mail-Programme die „Sie haben das angekündigte Attachment noch gar nicht angehängt“-Funktion.). Die Erfüllung der Echtheitsfunktion ist davon abhängig, wie leicht oder schwer der (unberechtigte) Zugang Dritter zum De-Mail-Postfach ist. Bei der „sicheren“ Anmeldung nach § 4 Abs. 1 De-Mail-G ist sie in höherem Maße gegeben als bei der „nicht sicheren“, bei Unternehmens-Postfächern ist der aus Sicht des Empfängers „unkontrollierte“ Zugang Konstruktionsprinzip – zum Leidwesen des Berichts der Bundesregierung.

Hinsichtlich der Warnfunktion verweist die Bundesregierung zunächst auf die Umstände, die mit der Einrichtung der De-Mail-Adresse verbunden sind (persönliche Identifizierung, Informationspflichten). Und doch erkennt sie an, dass „nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden [könne], dass die Nutzung eines De-Mail-Kontos dem Er­klärenden in gleicher Weise wie die eigenhändige Unter­schrift vor Augen führt, dass er eine rechtliche Bindung begründet.“ Sie baut daher auf

„eine zusätzliche Funktion zum ‚Einschalten’ der elektronischen Form, etwa in Form des Anklickens einer besonders bezeichne­ten Schaltfläche (z. B. ‚elektronische Form’) […]. Damit würde den Nutzern nachhaltig verdeutlicht, dass sie rechtsverbindliche Erklärungen in elektronischer Form abgegeben, indem sie die Funktion ‚absenderbestätigt’ über den besonderen Formbutton nutzen. Dass diese Schaltfläche betätigt wurde, wäre auch für den Empfänger der Erklärung erkennbar und nachweisbar zu machen.“

Ich habe auch für diesen Fall Zweifel.

Sodann zu den Funktionen der Urkunde. Die Bundesregierung macht sich’s zunächst sehr einfach, wenn sie die Perpetuierungsfunktion lapidar für erfüllt ansieht:

„Eine Erklärung die in einer De-Mail enthalten ist, bleibt wie eine Erklärung, die in einer Urkunde verkörpert ist, für eine ausreichende Dauer lesbar und überprüfbar, wenn die De-Mail auf einem Datenträger gespeichert wird. Sie kann beliebig aufgerufen, am Bildschirm gelesen oder ausgedruckt werden. Die Perpetuierungsfunktion wird damit erfüllt.“

Sie relativiert einfach mit dem schönen Wort „ausreichend“. Mir genügt das nicht.

Hinsichtlich der Kontroll– und der Beweisfunktion gilt Entsprechendes. Zwar kann ein signiertes Dokument die Authentizität des Doku­mentes sichern, und der Empfänger auch Dritten ge­genüber den Beweis des Inhalts abgegebener Erklärun­gen führen, und können diese den Erklärungsinhalt kontrollieren. Das spricht der Bericht der Bundesregierung so auch aus – vorausgesetzt, der Empfänger verfügt über die „geeignete Software, die beispielsweise über die De-Mail-Provider zum Download angeboten werden kann“, und andere Kleinigkeiten wie eine immerwährende Internetverbindung und eine stets gegebene Möglichkeit der Präsentation digitaler Daten. Das ist aber offenbar nicht weiter erwähnenswert.

Mit Blick auf die Traditionsfunktion gilt nichts anderes als bei anderen elektronischen Dokumenten auch: sie wird gerade nicht erfüllt. Auch die Seriositätsfunktion der papiernen Urkunde erfüllt selbst eine De-Mail nicht.

Wiederum also das Fazit: Echte Funktionsäquivalenz besteht nicht, mit oder ohne zusätzlichem Button.