Internet jetzt auch in Saarbrücken!

Der Journalist Sebastian Knoppik bietet „Saubere Recherche und brillante Texte„. Einer seiner Texte war offenbar so sauber recherchiert und brilliant geschrieben, dass er ihn zweimal bei der Saarbrücker Zeitung unterbringen konnte: Mitte Dezember im „Computer-Internet-Recht-Ratgeber„, und Mitte Januar gar als „Aufmacher„. Letzterem hat die Redaktion dann noch eine wunderbare Überschrift verpasst:

Geschäftliche Dokumente lassen sich auch elektronisch per Internet übertragen

Nein, dieses Internet! Was die sich auch immer wieder einfallen lassen! Bald werden amerikanische Wissenschaftler noch einen Apparat erfinden, in den man seine Nachrichten nicht schreibt, sondern spricht. Und am anderen Ende der Welt kann man das dann nicht lesen, sondern sogar hören! In der Stimme des Absenders! Fast zeitgleich!

Lieber Saarbrücker, lasst euch nichts vormachen. Das kann man schon länger! In Brandenburg sogar in Strafverfahren. Das heißt SMS.

Im Ernst: Der Die Artikel stellt stellen De-Mail einem breiteren Publikum vor. Knoppik hat viele kompetente O-Töne gesammelt, die juristisch wie technisch sogar jeder für sich stimmen. Er hat es aber geschafft, die rechtlichen Dinge ein bisschen durcheinanderzubringen, und den die Artikel mit einer ganz wunderbaren Perle zu schließen.

Der Reihe nach:

E-Mails ersetzen heute mehr und mehr den guten alten Brief.

Den „guten alten Brief“ hatte die Bundesnetzagentur in ihrem Tätigkeitsbereicht 2008/2009 noch ganz sorgenvoll gesehen. Sie rechnete

aufgrund der „Veränderungen im Kommunikations- und Einkaufsverhalten“ mit einem weiteren Rückgang des herkömmlichen Briefverkehrs in Folge eines strukturellen Wandels, der gekennzeichnet ist durch eine verstärkte Nutzung von elektronischen Medien (Internet, E-Mail, SMS, elektronischer Datenaustausch) und der einhergehenden Substitution von physischen Briefdienstleistungen.

Im Ende 2011 vorgelegten Tätigkeitsbericht 2010/2011 konstatierte sie wiederum einen Rückgang des Umsatzes im Briefbereich. Die Anzahl der Sendungen stieg jedoch leicht (von 16,3 Mrd. auf 16,4 Mrd.), und von einem drastischen Umsatzeinbruch kann nicht gesprochen weden angesichts eines Rückganges von 9,2 Mrd Euro auf 9,0 Mrd Euro. In der Gesamtschau der Jahre 1998 bis 2010 zeigt sich auf den ersten Blick eher ein stabiler Markt mit jeweils ganz ähnlichen Zahlen. Auf den zweiten Blick aber sieht man, dass der Umsatz in diesem Bereich durchgehend um die 10 Mrd. Euro schwankte. Die drei letzten aufgeführten Jahre 2008, 2009 und 2010 liegen mit 9,6, 92 und 9,0 Mrd. Euro jeweils unter dem geringsten Wert von 9,8 Mrd. Euro (in 1998). In den letzten Jahren ist tatsächlich ein deutlicher Abwärtstrend zu erkennen (ebd. S. 15).

Den „Substitutionswettbewerb“ behandelt die Bundesnetzagen auf S. 27 f. des Berichtes eher ratlos:

Für das klassische Briefgeschäft existiert bereits eine Anzahl von elektronischen Substitutionsmöglichkeiten wie z. B. die SMS oder die E-Mail. Zu diesen bekannten elektronischen Substitutionsmöglichkeiten kommen nun die DE-Mail und der E-Postbrief der DP AG sowie der Hybridbrief hinzu…

Ob und inwieweit die zukünftige DE-Mail (sie stellt wie der E-Postbrief in der rein elektronischen Variante keine Postdienstleistung im klassischen Sinne dar, sondern unterfällt dem Telekommunikationsgesetz und dem Telemediengesetz) finanzstarke Unternehmen, die sich in diesem Markt betätigen wollen, auch dazu veranlassen kann, sich mit Produkten auf dem physischen Briefmarkt zu betätigen, bleibt abzuwarten.

Es ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt noch nicht absehbar, ob sich die DE-Mail und der E-Postbrief der DP AG am Markt werden nachhaltig etablieren können. Insoweit bleibt abzuwarten, welchen Einfluss diese „neuen“ Substitutionsmöglichkeiten auf den klassischen Briefmarkt haben werden.

Aber weiter in Knoppiks Text:

Doch wenn es um wirklich wichtige Themen geht, reicht die Mail oft nicht aus. Denn oft ist hier die „Schriftform“ nötig. Und wenn Juristen davon sprechen, verbinden sie damit eine ganz spezielle Vorstellung.

Das stimmt. Was dann folgt, nicht mehr so ganz. Etwa, wenn es heißt:

„Schriftlich bedeutet: ein Brief mit Unterschrift“, erläutert Iwona Husemann, Juristin der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Ein Fax reicht nicht aus, weil beim Empfänger ja nur eine Kopie des Schreibens ankommt, und auch eine E-Mail entspricht nicht der Schriftform.“ Hier sprechen Juristen stattdessen von Textform.

Äh, jein. Schriftlich bedeutet grundsätzlich ein Brief mit Unterschrift. Und das bedeutet: Es gibt zahlreiche Ausnahmen vom Grundsatz, bei denen auch ein Dokument die „Schriftform“ erfüllt, das keine unterschriebene Papierurkunde ist. Insbesondere etwa wahrt gerade ein Fax die vertraglich vereinbarte (§ 127 BGB), doch teils eben auch die gesetzlich angeordnete Schriftform. Das Prozessrecht ist ein ganz wesentlicher Bereich. Anwälte übersenden dem Gericht fast immer zunächst ein Fax. (Und überflüssigerweise dann dasselbe auch noch mal auf Papier. Weil sie aber ohnehin die Kopien für den Gegner mitschicken müssen, § 133 ZPO, und auch die Anlagen, § 131 ZPO, macht das dann auch nichts mehr.).

Die Textform des § 126b BGB genügt in all den Fällen, in denen eine Perpetuierung (die Festlegung der Erklärung) wichtig ist, nicht aber die Unterschrift. Das ist bei der Belehrung über das Widerrufsrecht bei Verbraucherverträgen ebenso der Fall wie bei der Erklärung des Widerrufs, § 355 BGB. Ein Mietvertrag muss dagegen schriftlich gekündigt werden, § 568 BGB.

Die weiteren Aussagen Husemanns stimmen daher, auch wenn sie rät, das Absenden und besser noch den Empfang wichtiger Erklärungen zu dokumentieren. Das hat dann allerdings nichts mehr mit der Schriftform zu tun, wie auch „Patricia Baumann vom Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) erklärt.“ Sondern mit der De-Mail, die ja eigentlich Gegenstand, jedenfalls aber Aufhänger der Artikel war.

Das Beste zum Schluss:

In Pilotprojekten ist es schon möglich, die Schriftform auch elektronisch im Internet zu wahren. Möglich machen dies der neue Personalausweis und ein Zertifikat, das Nutzer kaufen und auf den Ausweis laden können. Stecken sie den Ausweis dann in ein Lesegerät und geben ihre sechsstellige PIN ein, wird eine digitale Unterschrift erzeugt. So lässt sich online etwa rechtsverbindlich ein Kreditvertrag abschließen.

Lieber Saarbrücker, lasst euch nichts vormachen. Das kann man schon länger! Das heißt Elektronische Signatur. Seit 2001.

Sebastian Knoppik, Elektronisch die Form wahren – Der Brief bekommt Konkurrenz, Saabrücker Zeitung vom 13. Dezember 2012, und Geschäftliche Dokumente lassen sich auch elektronisch per Internet übertragen, Saabrücker Zeitung vom 15. Januar 2013.