Die Marke „D-Mail“

Any news is good news: Wie turi2.de dem Spiegel 45/2016 entnimmt, sieht sich das deutsche

Bundesinnenministerium […] wegen der De-Mail mit einer Klage der Familie des Internetunternehmers Daniel Giersch konfrontiert. Giersch besitzt die Namensrechte an der ähnlich klingenden DMail. Die kommerzielle Nutzung der Marke sei dem Ministerium nie erteilt worden, argumentieren die Anwälte.

Die kurze Nachricht wird ansonsten nur auf „inside-handy.de“ und ähnlichen hochseriösen Nachrichtenseiten ventiliert, aber nicht weiter vertieft.

Sie macht zum einen deutlich: Die Marke „De-Mail“ hat eine weniger bekannte Schwester namens „D-Mail“. Die Recherche im Markenregister des Deutschen Patent- und Markenamtes DPMA zeigt sieben Einträge:

a) Unter der Nummer 396023800 war seit 1996 die Marke „D-Mail“ eingetragen für Frau Sabine Brilla  aus Lippstadt in den Klassen 38, 9 und  42 (Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Telekommunikationdie). Die Marke wurde auf Widerspruch hin noch 1996 gelöscht.

b) Unter der Nummer 39612421 ließ die Buhl Dataservice auch in 1996 ebenfalls die Marke „D-Mail“ eintragenn, diesmal nicht mit strahlendem Handy sondern mit Deutschlandfahne im Signet. Erfasst waren die Klassen 42, 9, 16, 35, 36 und 38
531 (Computer-Software/Hardware; Telekommunikation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung; Fotografien, Schreibmaschinen, Büroartikel; Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten; Geldgeschäfte, Immobilienwesen). Der Eintrag wurde im Jahr 2006 auf Antrag des Inhabers gelöscht.

c) Im Jahr 1999 ließ der bereits erwähnte Daniel Giersch die Marke „dmail“ eintragen, diesmal unter der Nummer 39915319. Erfasst sind die Klassen 9, 38 und 42 (Datenverarbeitungsgeräte und Computer; Telekommunikation; Erstellen von Programmen für die Datenverarbeitung). Die Marke ist nunmehr nach zahlreichen Umschreibungen angemeldet für Frau Rosita Giersch.

d) Diese ist auch Inhaberin der zur 300311990 angemeldeten Wortmarke „Dmail“. Erfasst sind hier die Klassen 39 und 38, das heißt neben der „Bereitstellung von Einrichtungen zur Vermittlung von Waren und Dienstleistungen über elektronische Kommunikationsnetze, wie Internet oder World Wide Web“ insbesondere auch das „Transportwesen, insbesondere Postdienstleistungen, Abholung, Lagerung, Sortierung, Frankierung, Wägung, Bündelung, Verpackung und Zustellung von Postsendungen, insbesondere Briefen, Päckchen und Paketen; Kurierdienst; Paketdienst“.

e) Die Wortmarke „D-Mail“ dagegen ist unter der Nummer 307534650 eingetragen in den Klassen 09 (Rechenmaschinen, DV-Geräte und Computer), 35 (Werbung, Geschäftsführung, Unternehmensverwaltung, Büroarbeiten) und 38 (Telekommunikation) für das BMI.

f) Die folgenden Wort-/Bildmarken sind ebenfalls eingetragen bzw. sollen dies werden:


Nr. 008903767, eingetragen für die italienische DMEDIA COMMERCE S.P.A.

Nr. 009664459, gleichfalls eingetragen für die DMedia Commerce.

Nr. 016077513, angemeldet für die italienische D-RETAIL S.R.L.

Nr. 016082166, angemeldet gleichfalls für die D-RETAIL S.R.L.

Zum anderen: Den von Linus Neumann in seinem Vortrag auf dem 30. Chaos Communication Congress „Bullshit made in Germany“ erwähnten Vertrag der Giersch Ventures des — positiv formuliert: umtriebigen — Unternehmers Daniel Giersch mit dem BMI scheint es tatsächlich zu geben. Zum Hintergrund erklären C|Net im Jahr 2006, die Financial Times Deutschland im Jahr 2008 und die Welt im Jahr 2009:

Herr Giersch versuchte wohl seit Mitte der 1900er Jahre, den Markt der Postdienstleistungen umzukrempeln. Erst baute er in Itzehoe einen Kurierdienst auf (und verkaufte ihn alsbald). Dann holte er Geschäftspost bei  Unternehmen ab, bestempelte sie mit Werbung und verschickte sie per Post, wobei er den Versendern 3 Pfennig Rabatt pro Brief gewährte. Das Projekt scheiterte. Aber dann:

Mit dem dritten Versuch zeigt Giersch nun, dass er seinen Gegner gefunden hat. Ab heute nimmt er Briefe über seine Internetportale […] und versendet sie kostenlos. Der Sender muss sich vorher mit einer Kopie seines Personalausweises registrieren und wählt am Computer aus einer Sponsoren-Galerie Werbung aus, die dem Brief beigelegt wird. Das soll am Ende den Versand finanzieren. Ausgetragen werden die Briefe dann am Ende von der Deutschen Post. Zwar könne jeder den Dienst nutzen, doch Giersch hat vor allem Unternehmen mit weniger als 1000 Briefe pro Tag im Blick. Wer auf Werbung verzichtet, zahlt extra.

Auch dieser Dienst setzte sich nicht recht durch. Clever war aber die Wahl des Namens eines seiner „Internetportale“: „G-Mail“, wobei das „G“ für „Giersch“ stehen sollte. Er konnte die frühzeitige Markenanmeldung Google entgegenhalten und so die weltweite Nutzung des kostenlosen E-Mail-Dienstes unter der einheitlichen Bezeichnung „GMail“ zunächst stoppen. Die Parteien einigten sich auf eine nicht näher bekannte Summe, die aber deutlich über den zunächst angebotenen 250.000 $ gelegen haben dürfte.

Die Anmeldung bzw. der Erwerb der Marken „dmail“ bzw. „Dmail“ passt in dieses Bild. Giersch konnte den Start der „De-Mail“ zunächst ebenso aufhalten wie  den Durschmarsch von Googles „GMail“. Wie Linus Neumann berichtete, einigte sich aber schließlich das BMI mit „Giersch Ventures“ darauf, dass das BMI den E-Mail-artigen Dienst De-Mail voranbringen darf, dafür aber auf den Versand physikalischer Briefe auch nach einem hybriden Ansatz verzichtet, wie ihn der E-Post-Brief der Post ebenso vorsah wie die oben erwähnte dritte Idee Daniel Gierschs. Welche weiteren Klauseln der Vertrag enthält, ist mir nicht bekannt. Auf inside-handy.de heißt es:

Daraufhin verhandelten Giersch und das BMI einen Vertrag aus, in dem Giersch zustimmt, dass sein System zum Austausch verschlüsselter Emails für ein Bürgerportal genutzt würde. Nun ist Giersch mit der Entwicklung von „De-Mail“ aber unzufrieden, da es laut eigenen Aussagen nicht mehr viel mit einem Bürgerportal zu tun habe. Stattdessen würde das System nun laut Giersch von Unternehmen gesteuert werden, die unter dem staatlichen Deckmantel einen kommerziellen Dienst anbieten. Giersch sorge sich um die Nutzer, da diese dem staatlichen System vertrauen. Die Zweifel seien spätestens seit den Wiki-Leaks-Enthüllungen durchaus angebracht.

Da Giersch mit dem heutigen De-Mail-System unzufrieden ist, hebt er nun doch Anspruch auf die Markenrechte. Er wolle nicht, dass sein Name in Verbindung mit einem Dienst gestellt wird, der womöglich „staatliche Big-Brother-Phantasien“ fördere.

Die Begründung mag abenteuerlich erscheinen. Möglich aber ist es, dass die markenrechtliche Basis der De-Mail nicht so sicher ist, wie das BMI bislang ganz offenbar angenommen hat. Ich bin gespannt auf jede Entscheidung.