De-Mail als Galaxy Note 7

Die De-Mail ist weiterhin kein iPhone: sie verkauft sich nicht von allein. Da mag die Bundesregierung sich auch mühen und zahllose Schriftformerfordernisse vor allem des besonderen Verwaltungsrechts ablösen und durch die Möglichkeit ersetzen, De-Mails an die Behörden zu senden: Die Nutzung bleibt gering:

Laut dem diesjährigen eGovernment MONITOR steigt zwar die E-Government-Nutzung in Deutschland, die Online-Ausweisfunktion sowie De-Mail bleiben aber unbeliebt.

Die Ergebnisse für Deutschland sind ernüchternd: 45 Prozent der Befragten besitzen laut der Studie kein De-Mail-Konto und möchten es auch künftig nicht beantragen, 35 Prozent kennen das Angebot nicht.

(Kommune 21)

Auch sonst doch so technikaffine Studenten sind … zurückhaltend:

Das E-Bafög wird zum Reinfall

… Gut gemeint war die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung, Studenten den Umgang mit dem seitenlangen Bafög-Antrag zu erleichtern. Seit dem 1. August 2016 ist eine Antragstellung auch auf elektronischem Weg möglich. Doch gut angenommen wird das Angebot nicht, das elektronische Bafög (E-Bafög) droht zu einem Reinfall zu werden. …

„Bundesweit sind die Nutzerzahlen sehr gering“, sagt Thomas Faust, Sprecher des Studentenwerks Halle… Wobei die Einordnung „sehr gering“ noch übertrieben wirkt. So verzeichnete das Studentenwerk, das rund 30. 000 Studenten im Süden Sachsen-Anhalts betreut, bislang nicht einen einzigen elektronisch eingegangenen Bafög-Antrag. Genauso sieht es im nordrhein-westfälischen Dortmund aus.

In der Wirklichkeit wird jedoch bereits die Tatsache zum Problem, dass auch der elektronische Antrag authentifiziert – also letztlich unterschrieben – sein muss, [etwa mit] De-Mails. Diese Technik soll ebenfalls rechtsverbindlich garantieren, dass der Student den Bafög-Antrag unterschrieben hat. Die De-Mail-Adresse ist aber nach Angaben des Studentenwerk-Sprechers Faust bei Studenten und bei deren Eltern kaum bekannt. Im Jahr 2015 hätten bundesweit nur 13 Prozent der Bundesbürger einen De-Mail-Account besessen.

Mitteldeutsche Zeitung

Insofern: nichts wirklich Neues.Dass De-Mail inzwischen aber nicht nur kein iPhone, sondern sogar ein Galaxy Note 7 ist, machte die Tage eine kleine Wirtschaftsmeldung des Handelsblatts deutlich. Sie lautet schlicht:

Während die meisten Unternehmen ihr Geschäftsmodell auf die Digitalisierung und die sogenannte Industrie 4.0 ausrichten, geht die Berliner Francotyp-Postalia jetzt den umgekehrten Weg: Sie konzentriert sich wieder stärker auf ihr Kerngeschäft – den Bau von Frankiermaschinen.

Ausgerechnet Francotyp-Postalia. Die Firma, die als erste und lauteste die Vorzüge der De-Mail gegenüber der herkömmlichen Geschäfts- und Behördenpost posaunte und mit ihrer Tochter Mentana-Claimsoft einen der agilsten De-Mail-Anbieter stellte: Ausgerechnet diese Firma verkündet nun faktisch das Aus dieses Geschäfts.

Die Hoffnung, den klassischen Brief durch die E-Mail ablösen zu lassen, haben sich nicht erfüllt: Schon vor fünf Jahren hatte die Bundesregierung mit Partnern aus der Industrie die Idee einer sicheren E-Mail entwickelt. Ziel war es, dass Behörden aber auch Unternehmen wie Versicherungskonzerne einen Großteil ihrer Geschäftspost mit vertraulichen Mitteilungen oder Verträgen künftig nur noch elektronisch als verschlüsselte De-Mail oder E-Post-Brief übersenden und auf den klassischen Brief im Postkasten ihrer Kunden verzichten.
Doch was in vielen anderen Ländern wie in Skandinavien schon reibungslos funktioniert, kommt in Deutschland nur schwer in Gang. Der Spezialist für Frankiermaschinen und Marktführer in Deutschland zieht jetzt daraus ihre Konsequenzen. „Unser Kerngeschäft hat mehr Wachstumspotenzial als bislang angenommen“, sagte der Vorstandschef von Francotyp-Postalia, Rüdiger Andreas Günther. „Nicht jede Digitalisierung ist disruptiv und erfolgt über Nacht.“

Fortan gilt also die Konzentration weniger der Entwicklung neuer Softwarelösungen für den elektronischen Briefversand und die digitale Postbearbeitung – sondern wieder dem Bau von Frankier- und Kuvertiermaschinen. …

Dass ihn die Digitalisierung des Briefverkehrs so schnell links überholen wird, glaubt er nicht mehr. Noch immer bevorzugen über 80 Prozent der Unternehmen in Deutschland den klassischen Geschäftsbrief, wenn es darum geht, sensible Informationen zu überbringen.

Handelsblatt vom 17. November 2016: Digitalisierung war gestern — Der Brief lebt!