Eine Behörde oder ein Gericht darf prinzipiell auf eine De-Mail-Nachricht mit einer ebensolchen antworten. Das ist nicht etwa selbstverständlich, sondern musste so erst durch das Sächsische Oberverwaltungsgericht in Bautzen entschieden werden.
Der Fall ist ein etwas trockener, es geht um Gerichtskosten: Der Kläger wandte sich mit der Beschwerde gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe. Er blieb erfolglos: Das OVG wies die Beschwerde zurück, und legte ihm die Kosten auf. Die Kostenbeamtin berechnete ihm entsprechend die nach Nr. 5502 des Kostenverzeichnisses im Gerichtskostengesetz zu zahlenden 60 €. Auch hiergegen wandte sich der Kläger, diesmal mit der so genannten Kostenerinnerung. Er blieb wiederum erfolglos, wenn auch sein Ansatz durchaus kreativ war: Die Kosten hätten ihm nicht auferlegt werden dürfen, da er doch die Beschwerde zurückgenommen hatte. Für diesen Fall aber sieht das Kostengesetz keine Kosten vor; sie fallen nur an, wenn das Gericht abschlägig entcheidet. Es ist deshalb üblich, dass das Beschwerdegericht den Beschwerdeführer vor einer negativen und zudem eben auch kostenträchtigen Beschwerdeentscheidung anhört und ihm dabei die Möglichkeit aufzeigt, seine Beschwerde zurückzunehmen.
Das hatte der Kläger hier zwar auch gemacht — allerdings erst, nachdem seine Beschwerde zurückgewiesen worden war. Der zurückweisende Beschluss war bereits um 16 Uhr in seinem Postfach, seine Rücknahme dagegen erfolgte erst um 21 Uhr. Das sei klar zu spät, so nun das Oberverwaltungsgericht, auch wenn der Kläger bestreite, dass ihm die Beschwerdeentscheidung zulässigerweise zugegangen sei. Das Gericht habe ihm die Entscheidung über seine per De-Mail eingelegte Beschwerde auf dem selben Weg übermitteln dürfen.
Die Begründung hierfür ist lang und ausführlich. Das OVG arbeitet zunächst heraus, dass das Prozessrecht zwar im Einzelnen regelt, wann elektronische Dokumente an ein Gericht übersandt werden dürfen, und wenn ja in welcher Form. Für den „Rückkanal“ enthält das Gesetz aber keine Vorschrift; der Gesetzgeber verwies damals nur vage auf das Zustellrecht, und auf den allgemeinen Gedanken des § 130 BGB (BT-Drs. 15/4067 S. 37).
Da ein Beschluss der hier in Rede stehenden Art nicht zugestellt werden muss, wie das Gericht detailliert begründet, kam es entsprechend § 130 BGB darauf an, ob und wie der Empfänger für Dokumente dieser Art den „Zugang eröffnet“ hat. Hierfür ist maßgeblich nicht sein innerer Wille, sondern sein Handeln, wie es sich potentiellen Absendern darstellt: Wer einen Briefkasten aufhängt, macht deutlich, hier Post entgegen zu nehmen. Entsprechend wird allgemein angenommen, dass derjenige, der eine E-Mail versendet, eine Antwort auf gleichem Wege erwartet (wenn er nicht parallel etwas anderes deutlich macht).
Das gilt auch für De-Mail. Aber: In § 7 De-Mail-Gesetz heißt es:
De-Mail-Gesetz § 7. Verzeichnisdienst. (3) Die Veröffentlichung der De-Mail-Adresse im Verzeichnisdienst auf ein Verlangen des Nutzers als Verbraucher nach Absatz 1 allein gilt nicht als Eröffnung des Zugangs … Auf Verlangen des Nutzers muss der akkreditierte Diensteanbieter durch einen geeigneten Zusatz die Erklärung des Nutzers im Verzeichnisdienst veröffentlichen, den Zugang … eröffnen zu wollen. Die Veröffentlichung der De-Mail-Adresse des Nutzers als Verbraucher mit diesem Zusatz im Verzeichnisdienst gilt als Zugangseröffnung. Satz 2 gilt entsprechend für die Entscheidung des Nutzers, die Zugangseröffnung zurückzunehmen.
Der sehr, sehr vorsichtige Gesetzgeber wollte damit die De-Mail-Nutzer schützen: Sie sollen sich eine De-Mail-Adresse zulegen können, ohne befürchten zu müssen, nun reihenweise Post von Behörden und Gerichten zu erhalten. Sie sollen auch ihre Adresse im Verzeichnisdienst veröffentlichen lassen können, um De-Mails erhalten zu können, ohne dass dies für Behörden und Gerichte als Einladung verstanden werden soll. Diesen gegenüber soll es bei den allgemeinen Regeln bleiben; die „Veröffentlichung der Adresse allein“ soll noch nichts aussagen. Das aber genügte dem Gesetzgeber später nicht mehr. Er führte die Möglichkeit ein, im gewissermaßen De-Mail-Telefonbuch den Eintrag zu veröffentlichen „Liebe Behörden: Post bitte an diese Adresse!“
Und wenn diese Angabe fehlt? Bedeutet das dann nicht: „Liebe Behörden: Post bitte nicht an diese Adresse!“? Das OVG Bautzen sagt, ohne dies zu sagen: nein. Dann kommt es darauf an, wie ein potentieller Sender das sonstige Verhalten des Postfachinhaber auffassen darf. Und danach gilt: Wer das Medium nutzt, muss mit einer Antwort auf gleichem Wege rechnen.
Danach durfte das Gericht hier bei Bekanntgabe des Beschlusses vom 16. Dezember 2019 per De-Mail an den Kläger noch zweifelsfrei davon ausgehen, dass der Kläger sein De-Mail-Postfach auch für den Empfang von De-Mails des Gerichts gewidmet hat. Denn der Kläger hatte bereits seine Beschwerde formwirksam per De-Mail erhoben und sodann fortlaufend per De-Mail mit dem Gericht korrespondiert, ohne dass es Anhaltspunkte gab, dass der Kläger mit einem Empfang von De-Mails des Gerichts nicht einverstanden war.
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 2020 – 5 E 108/19 –
Und § 7 Abs. 3 De-Mail-Gesetz? Ist angesichts dessen unerheblich:
Dass gemäß § 7 Abs. 3 Satz 1 De-Mail-Gesetz die Veröffentlichung der De-Mail-Adresse im De-Mail-Verzeichnisdienst bei Verbrauchern allein nicht als Eröffnung des Zugangs i. S. v. § 3a Abs. 1 VwVfG gilt, ist vor diesem Hintergrund unerheblich, da der Kläger durch sein Verhalten gegenüber dem Gericht (De-Mail-Korrespondenz) schlüssig erklärt hat, einen Zugang für De-Mails des Gerichts eröffnet zu haben, nicht aber durch Veröffentlichung seiner De-Mail-Adresse im De-Mail-Verzeichnisdienst.
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 2020 – 5 E 108/19 –
Der Trost für den Kläger: Wenigstens dieser ausführlich begründete Beschluss des Gerichts ist kostenlos (§ 66 Abs. 8 GKG).
Sächsisches Oberverwaltungsgericht, Beschluss vom 17. März 2020 – 5 E 108/19 –