Niemand hat die Absicht…

Die Grünen wie die Piraten sorgen sich um De-Mail, bzw. besser: besorgen einen möglichen Zwang zur Nutzung des neuen Dienstes. Das zeigen zwei aktuelle Parlamentarische Anfragen.

Die Grünen fragten am 22. August 2012 im Rahmen einer Kleinen Anfrage zur Postreform mit dem Titel „Wettbewerb im Postmarkt – wo bleibt die Postreform“ (BT-Drs 17/10537) etwas unvermittelt auch zur möglichen Konkurrenz des herkömmlichen Briefs:

17. Plant die Bundesregierung die Einführung der DE-Mail als Pflichtkommunikation mit bestimmten Behörden, und falls ja, wie will sie dies umsetzen?

Die Antwort liegt nun vor (BT-Drs 17/10629), und überrascht weder im Inhalt noch in der Form. Ihr „Nein“ ist etwas aufgeblasen:

De-Mail kann aufgrund der zusätzlichen Sicherheitseigenschaften in vielen Bereichen als zusätzlicher elektronischer Zugangskanal zur Verwaltung genutzt werden, bei denen heute noch papierbasiert kommuniziert wird. Eine Verpflichtung von Bürgerinnen, Bürgern oder Unternehmen zur Nutzung von De-Mail ist nicht vorgesehen.

Das entspricht der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 17/3630):

Grundlage der Nutzung der De-Mail-Dienste im elektronischen Geschäftsverkehr ist dabei stets die freiwillige Entscheidung der Nutzer. …

Die Freiwilligkeit der Nutzung von De-Mail gilt für alle Nutzer: natürliche Personen (auch in ihrer Eigenschaft als Verbraucher im Sinne von § 13 des Bürgerlichen Gesetzbuchs – BGB) juristische oder Personengesellschaften (auch in ihrer Eigenschaft als Unternehmer im Sinne von § 14 des Bürger- lichen Gesetzbuchs) und öffentliche Stellen.

Die Piraten sind ebenfalls skeptisch. Sie sehen zumindest eine mögliche Digital Divide (LT-Drs. 16/834):

Eine Benachteiligung von Bürgern ohne De-Mail-Postfach erfolgt, wenn Kommunikation mit Behörden per De-Mail zum Standard werden sollte. Dies kann Gesellschaftsgruppen ohne Computer, oder Personen mit hohen Ansprüchen an Datenschutz und Integrität und Sicherheit ihrer Kommunikation von der Interaktion mit Behörden ausschließen oder sie unangemessen benachteiligen.
Die Deutsche Telekom hat ein Gebührenmodell für De-Mail vorgestellt, welches – bereits ohne Verschlüsselung – Gebühren vorsieht, die denen normaler Briefpost nahekommt.
Vor diesem Hintergrund frage ich die Landesregierung: …
5. Wie will die Landesregierung verhindern, dass Bürger ohne De-Mail-Postfach in der Kommunikation mit Ämtern, Behörden und Dienststellen des Landes NRW benachteiligt werden?

Die Antwort des Innenministeres ist wiederum ein – kürzeres – „Nein“:

Die Gefahr besteht nicht, wie das aktuelle Beispiel des Gesetzentwurfs zur Änderung des Verwaltungszustellungsgesetzes zeigt: Ziel der Landesregierung ist es, zusätzlich zu den herkömmlichen Kommunikationsmöglichkeiten weitere Kommunikationsmöglichkeiten zu eröffnen.

Das wiederum entspricht der Begründung zum E-Government-Gesetz:

Die elektronische Kommunikation ist im privaten und wirtschaftlichen Handeln bereits sehr verbreitet. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes (StBA) besaßen im 1. Quartal 2010 bereits 77 % der privaten Haushalte (2009: 73 %) und 82 % der Unternehmen (2009: 81 %) in Deutschland einen Internetanschluss…. Mehr als jeder zweite möchte auch aktiv mit Behörden elektronisch kommunizieren. Ebenso viele Bürgerinnen und Bürger wünschen sich die Möglichkeit, Anträge direkt auf den Internetseiten der öffentlichen Hand zu stellen, oder wünschen andere interaktive Dienste… (S. 30).

Die durch das Gesetz geförderten E-Government-Instrumente sowie die neuen Möglichkeiten zur Wahrung der Schriftform erleichtern Bürgerinnen und Bürgern sowie Unternehmen die Erfüllung von Informationspflichten aufgrund vereinfachter Dateneingabe, schnellerer Übermittlung und gegebenenfalls eingesparter Wegezeiten…

Die Ersparnis wird anhand des zurzeit günstigsten Angebots für De-Mail-Kommunikation berechnet (drei kostenlose De-Mails pro Monat). … Insgesamt ergibt sich so ein Entlastungspotenzial für die Bürgerinnen und Bürger bei zuvor 56 Millionen Briefsendungen von bis zu 35,7 Millionen Euro pro Jahr. … (S. 40).

Durch das Wort „auch“ wird das sogenannte „Multikanalprinzip“ abgesichert. Das heißt, dass eine Behörde nicht ausschließlich elektronisch erreichbar sein darf, sondern den Zugang für die papierbasierte Eingänge nach wie vor offen halten muss. Denn nicht alle Personen wollen E-Government-Angebote nutzen oder sind hierzu in der Lage. Grundsätzlich sollen Bürgerinnen und Bürger wählen können, auf welche Weise sie mit der Verwaltung in Kontakt treten. Elektronische Informations-, Kommunikations- und Transaktionsangebote der Verwaltung treten als zusätzlicher Service neben die etablierten Zugänge (insbesondere persönliche Vorsprache, Telefon, Telefax oder Schreiben).

Es gilt, dass elektronische Eingänge gegenüber solchen in Papierform weder bevorzugt noch benachteiligt werden dürfen. Vorzüge, die sich durch die elektronische Bearbeitung ergeben, können jedoch berücksichtigt werden. (S. 54 f.).