Der Innenausschuss des Bundestages fügte als Art. 5 des De-Mail-Gesetzes noch eine Berichtspflicht der Bundesregierung ein (BT-Drs. 17/4893 S. 11):
Artikel 5
BerichtspflichtDie Bundesregierung berichtet dem Deutschen Bundestag innerhalb eines halben Jahres nach Inkrafttreten des De-Mail-Gesetzes darüber, ob und gegebenenfalls in welchen Rechtsgebieten De-Mail oder der elektronische Identitätsnachweis nach § 18 des Personalausweisgesetzes die einzelnen Funktionen der Schriftform alternativ zur qualifizierten elektronischen Signatur ersetzen könnte. Hierfür wird auch das Fachrecht auf Einsatzmöglichkeiten überprüft. Dabei sollten insbesondere Regelungen untersucht werden, die die Kommunikation mit staatlichen Stellen betreffen.
Zur Begründung heißt es (ebd. S. 23):
Die vorgeschlagene Regelung betrifft eine Berichtspflicht der Bundesregierung, die zum Ziel haben soll, zu ermitteln, ob und gegebenenfalls in welchen Rechtsgebieten De-Mail oder der elektronische Identitätsnachweis die einzelnen Funktionen der Schriftform (z. B. Identitätsfunktion, Echtheitsfunktion, Verifikationsfunktion, Beweisfunktion, Perpetuierungsfunktion, Abschlussfunktion, Warnfunktion) alternativ zur qualifizierten Signatur ersetzen könnte. Aufbauend auf dem Ergebnis dieser Untersuchung könnten in einem weiteren Gesetzgebungsverfahren Anpassungen am geltenden Recht vorzunehmen sein.
Hierzu bietet sich z.B. das Gesetzgebungsverfahren zu einem E-Government-Gesetz an.
Der Bericht liegt nun – mehr als das vom Gesetzgeber vorgesehene halbe Jahr nach Inkrafttreten des Gesetzes (am 3. Mai des vergangenen Jahres, BGBl. I 2011 vom 2. Mai 2011, S. 666/675) später – vor. Auf 9 Seiten tut er, was er soll: er untersucht, „ob und gegebenenfalls in welchen Rechtsgebieten De-Mail oder der elektronische Identitätsnachweis … die einzelnen Funktionen der Schriftform alternativ zur qualifizierten elektronischen Signatur ersetzen“, äh, besser wohl: erfüllen könnte. Er fasst das Ergebnis wie folgt zusammen:
1. Eine absenderbestätigte De-Mail wäre in der jetzigen Ausgestaltung durch das De-Mail-Gesetz zur Ersetzung der Schriftform im Verwaltungsrecht geeignet, wenn
[a)] sie von einem Individual-Konto verschickt wird, für das der Absender persönlich identifiziert wurde und bei dem eine direkte Verbindung zwischen dem Endgerät des Nutzers und dem De-Mail-Provider sichergestellt ist oder wenn der Absender eine Behörde ist und nicht unmittelbar feststellbar sein muss, wer für die Behörde gehandelt hat, sowie
[b)] eine ausreichende Warnfunktion einer absenderbestätigten De-Mail durch die Einführung einer gesonderten Schaltfläche gewährleistet wird, die zur Abgabe von Erklärungen in elektronischer Form betätigt werden muss. Um die absenderbestätigt versandte De-Mail der [qualifizierten elektronischen Signatur] rechtlich vollständig gleichzustellen müssten ergänzend entsprechende Beweisregelungen getroffen werden.
2. Dessen ungeachtet kann eine Ersetzung der Schriftform durch die Verwendung von De-Mail in denjenigen verwaltungsrechtlichen Fachgesetzen erfolgen, in denen ihrem Regelungszusammenhang nach auf die unter 1. genannten zusätzlichen Anforderungen an De-Mail verzichtet werden kann. Auch im Prozessrecht sind entsprechende weitere Einsatzmöglichkeiten zu prüfen.
Die unter 1. a) zusammengefassten (weiterhin) hohen Anforderungen der Schriftform kritisiert Detlef Borchers: Sie verhindere die Gateway-Anbindung an De-Mail in einem Unternehmen. Die Begründung auf S. 8 des Berichtes überzeugt mich aber: Eine Funktion der Unterschrift* ist es, den Unterschreibenden identifizieren zu können. Deshalb unterschreiben wir mit unserem Namen: So kann jeder schon aus der Unterschrift lesen, wer sie (vermeintlich) geleistet hat. Und weil nur ich mein „Jan Skrobotz“ genau so schreiben kann (meine Kinder sind noch nicht so weit), kann die Unterschrift mir letztlich aufgrund bio“metrischer“ Merkmale sicher zugeordnet werden.
Die in 1. b) angesprochene Schaltfläche wird auch im E-Government-Gesetz erwähnt – als eine feine Sache, die keiner gesetzlichen Regelung bedarf (S. 50 des Gesetzentwurfs).
Und warum nun enttäuscht mich der Bericht? Ich hatte den Berichtsauftrag anders, weiter verstanden. Ich hatte das „alternativ“ und „ersetzen“ dahin verstehen wollen, dass die Bundesregierung das Dickicht der angeblich 3.907 Schriftformvorgaben in 908 Vorschriften (vgl. Skrobotz, in: Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch (Hrsg.), Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) mit rechtlichen Aspekten des E-Government, Bauer/Heckmann/Ruge/Schallbruch, § 22 VwVfG Fn. 13) wenigstens etwas lichtet. Das leistet er nicht. Diese Aufgabe soll nun aber Art. 29 des E-Government-Gesetzes formulieren. Danach berichtet die Bundesregierung dem Bundestag binnen drei Jahren, in welchen verwaltungsrechtlichen Rechtsvorschriften des Bundes die Anordnung der Schriftform verzichtbar ist. Darauf warte ich gespannt.
* Der Bericht vermengt (wiederum) die Funktionen der papiernen Urkunde, der Unterschrift wie die der unterschriebenen Urkunde zu denen „der Schriftform“. Diese Ungenauigkeit verfälscht auch das Ergebnis, aber dazu später mehr.