Auf die Bundesratsinitiative der Länder Baden-Württemberg, Hessen und Sachsen zur Förderung der E-Justiz folgt nun der Diskussionsentwurf der Bundesjustizministerin. In der begleitenden Pressemitteilung heißt es hierzu:
In vielen Bereichen, wie etwa dem online-Shopping oder dem online-Banking, ist der Rechtsverkehr auf elektronischem Weg bereits eine Selbstverständlichkeit. Bei der Nutzung des elektronischen Rechtsverkehrs mit den Gerichten gibt es jedoch noch Aufholbedarf. Oftmals sind es rein praktische Gründe sowie unterschiedliche Standards in den einzelnen Bundesländern, die dazu führen, dass die bereits heute möglichen elektronischen Übermittlungsformen nicht genutzt werden. Durch die Regelungen in den Diskussionsentwürfen des Bundesjustizministeriums soll der elektronische Rechtsverkehr zwischen Bürgern und der Justiz weiter gefördert werden. In einigen Jahren sollen deshalb alle Gerichte bundesweit für elektronische Eingänge geöffnet werden. Neben der schon heute möglichen Übermittlung mit qualifizierter elektronischer Signatur sollen dann auch weitere sichere Übermittlungswege wie De-Mail oder das kostenlose Elektronische Gerichts- und Verwaltungspostfach (EGVP) zulässig sein. Künftig sollen bundesweit einheitliche und technikneutrale Standards für die elektronische Kommunikation mit der Justiz gelten. Damit korrespondierend soll für Rechtsanwälte die Teilnahme am elektronischen Rechtsverkehr verpflichtend sein.
Die Begründung zum Diskussionsentwurf ergänzt:
Als ein Grund [für die Zurückhaltung gegenüber der elektronischen Einreichung] wird regelmäßig die mangelnde Akzeptanz der – für die formgerechte Einreichung notwendigen – qualifizierten elektronischen Signatur genannt. Die mangelnde Akzeptanz beruht zum einen auf einer ungenügenden Benutzerfreundlichkeit, insbesondere im Vergleich zum (Computer-)Fax.
…
Voraussichtlich ab Mitte 2012 wird mit der De-Mail ein weiterer Kommunikationsweg zur Verfügung stehen, dessen Vorteile (z. B. Authentifizierung der Benutzerkonten) im allgemeinen Geschäftsverkehr, aber auch speziell für e-Justice genutzt werden können.“
Hierzu sollen § 130a ZPO, § 46c ArbGG, § 65a SGG, § 55a VwGO und § 52a FGO dahingehend geändert werden, dass elektronische Dokumente dann eingereicht werden können, wenn sie qualifiziert signiert sind oder „von der verantwortenden Person über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht und signiert werden“, wobei nach Abs. 4 Nr. 1 des jeweiligen Entwurfs der Versand mittels De-Mail mit einer sicheren Anmeldung ein solcher sicherer Weg sein soll.
Achtung bei der zusätzlichen Anforderung „und signiert“, die das „oder“ in der Anforderung des Absatzes 3 zunächst überflüssig bzw. widersprüchlich erscheinen lässt. Wenn es genügt, das Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur zu versehen, worin besteht die Erleichterung, wenn es stattdessen („oder“) zusätzlich über einen sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden soll? Die Entwurfsbegründung klärt aber, dass es im zweiten Fall genügt, das Dokument „einfach“ zu signieren im Sinne der § 2 Nr. 1 SigG. Hierfür genügt eine Namenswiedergabe ebenso wie eine eingescannte Unterschrift.
Ganz überzeugt ist das BMJ aber offenbar nicht vom Projekt des BMI. Neben der De-Mail sind stets auch andere “sichere Übertragungswege“ angesprochen. Ein solcher wird in Artikel 7 angelegt. Dieser soll § 31 BRAO um die Verpflichtung der BRAK erweitern, “besondere elektronische Anwaltspostfächer“ einzurichten. Diese sollen auf einer “trusted Domain“ vorgehalten werden. Der Entwurf nimmt damit augenscheinlich die Kritik der Anwaltschaft an der unzureichenden Vertraulichkeit der nicht Ende-zu-Ende verschlüsselten De-Mail auf. Letztlich entspricht das dem auch anderenorts gebräuchlichen Modell elektronischer Zustellungen – etwa dem EGVP.
Besonders interessant ist noch Folgendes: Ganz heimlich En passant soll der De-Mail jedenfalls im Fall der sicheren Anmeldung die von Roßnagel wiederholt geforderte Beweiserleichterung zugeschrieben werden. Nach dem Entwurf soll § 371a ZPO um einen neuen Absatz 2 ergänzt werden, der unter weitgehender Übernahme der Formulierungen des Absatzes 1 einen Anscheinsbeweis für die Echtheit eines von einem De-Mail-Konto „sicher“ versandten Dokumentes vorschreibt. Wiederum also ein gesetzlich normierter Anscheinsbeweis ohne ausreichende Erfahrungsgrundlage.
Im Kommentar: Zum Verhältnis von De-Mail-Gesetz und Signaturgesetz siehe K § 1 Rdnr. 47 ff., zur sicheren Anmeldung nach § 4 Abs. 1 Satz 2 De-Mail-G siehe K § 4 Rdnr. 5 ff., zur Zustellproblematik siehe K § 1 Rdnr. 92 ff., und zur bislang offenen Frage der Rechtsfolgen siehe K § 1 Rdnr. 77.