e-Boks – die „dänische De-Mail“?

Jan Oetjen, als einer der Geschäftsführer der United Internet Media GmbH „Chef der größten deutschen E-Mail-Dienste Web.de und GMX“, darf im Focus 31/2014 der Bundesregierung die Schuld dafür zuschieben, dass es nicht gerade einen Run auf De-Mail gibt:

„Die DE-Mail steht in Deutschland immer noch am Anfang. Andere Länder sind schon wesentlich weiter“, kritisiert Oetjen. In Dänemark seien zwei Drittel der Bevölkerung an ein vergleichbares System angeschlossen. In Deutschland geht Oetjen von mehr als einer Million DE-Mail-Registrierungen im Markt aus. „Jetzt muss sich der Staat als Großversender zu seinem eigenen System bekennen und es konsequent einführen“, fordert der E-Mail-Anbieter.

Vielleicht geht die Kritik fehl.

Die Bundesregierung tut ja nun gerade alles, dieses Kommunikationssystem trotz seiner technischen Schwächen – oder gar wegen seiner „bugdoors“, wie Linus Neumann vom CCC in einem Kommentar auf heise.de vermutet – als Standard der Kommunikation mit Behörden und der Justiz zu etablieren. Auch nehmen die Behörden im Bund, in den Ländern und in den Gemeinden ebenso wie die Justiz die Aufgabe zwar nicht gern, doch bereit an, flächendeckend elektronische Vorgangsbeitungssysteme und entspechende Zugangskanäle zu etablieren. Sie setzen hierbei auch auf De-Mail, obgleich der Nutzen der Investitionen noch ganz ungewiss ist angesichts der offenbaren Zurückhaltung beim Publikum. Die von Oetjen genannte Zahl von einer Million Registrierungen dürfte beispielsweise kaum mehr sein als eine Schätzung samt Wort-Trickserei. Nach den letzten Verlautbarungen lag die Zahl der De-Mail-Verträge mit United Internet bei etwa vier- bis fünfhunderttausend, die Zahl der identifizierten und freigeschalteten Nutzer lag weit darunter. (Das dürfte auch heute noch so sein, solange beispielsweise die Telekom bereits mit dem Vertragsschluss Amazon- und Zalando-Gutscheine ausreicht.) Angesichts dessen bezweifle ich doch, dass es – auch in Summe bei allen Wettbewerbern – tatsächlich eine Million auch nur identifizierte Vertragspartner gibt, geschweige denn aktive Nutzer.

Vor allem aber ist der Verweis auf Dänemark unredlich. Wenn Oetjen sagt,

[i]n Dänemark seien zwei Drittel der Bevölkerung an ein vergleichbares System angeschlossen[,]

so kann er nur das System e-Boks meinen, ein (laut dänischer Wikipedia)

digitaler Briefkasten, bei dem natürliche Personen und Betriebe mit einer dänischen Personen- bzw. Handelsregisternummer elektronische Post empfangen und sodann abspeichern können, die von den angeschlossenen öffentlichen Behörden, Kommunen und Institutionen versandt wurde.

An das System sind 3,8 Millionen Bürger angeschlossen, das heißt etwa 70 % der Bevölkerung. Ab 1. November 2014 müssen alle Bürger mit Wohnsitz in Dänemark über ein Postfach bei e-Boks verfügen und damit für die Behörden elektronisch erreichbar sein.

E-Boks ist aber keine „dänische De-Mail“. Das System ist bewusst anders aufgebaut. Es versucht nicht, E-Mail ohne E-Mail nachzubauen, das heißt ein Versandsystem über mehrere Instanzen zu seín (an denen jeweils „für eine logische Sekunde“ die Mail „nur für die Virenkontrolle“ entschlüsselt wird), das aber bewusst nicht E-Mail-kompatibel ist. Vielmehr ist es tatsächlich ein zentrales Postfachsystem: die Behörden laden hoch, die Bürger herunter, oder anders herum. Bei Eingang einer neuen Nachricht erhält der Postfachinhaber eine E-Mail. Das System bietet Apps an. Es kann ohne weiteres Ende zu Ende verschlüsselt werden. Die absendende Behörde wird eine Benachrichtigung darüber erhalten, wann das Dokument abgeholt wurde; ein leichter Weg der Zustellung.

Das System folgt Vorbildern aus Finnland und Österreich und ist selbst vorbildlich. Deutschland hat sich für den Sonderweg De-Mail entschieden. United ist auf den Zug aufgesprungen und wundert sich jetzt über das ausbleibende Geschäft. Dafür besteht kein Grund. Der Blick nach Dänemark zeigt entgegen Oetjen, dass sein Produkt De-Mail nicht die technisch beste Lösung ist.