Kosten des De-Mail-Systems sind geheim

Die Linke hat am 11. Juni 2015 in einer Kleinen Anfrage (BT-Drs. 18/5190) ihre Kritik an der De-Mail wiederholt und sodann in gesamt 24 Fragen die Bundesregierung zu den Kosten der Entwicklung des Systems, zur Akzeptanz bei Nutzern und Behörden, zur Ende-zu-Ende-Verschlüsselung, zum möglichen Datenzugriff durch Sicherheitsbehörden und zu vergleichbaren Projekten in anderen europäischen Ländern gelöchert. Die Antworten des Innenministeriums vom 1. Juli 2015 (BT-Drs. 18/5440) sind höchst interessant, und gut für eine ganze Reihe Blogposts.

Etwa zu den Kosten der Entwicklung des De-Mail-Systems. Die Linke wollte zum Beispiel wissen:

1. Wie viel hat die Entwicklung von De-Mail bislang insgesamt gekostet (bitte entsprechend aufschlüsseln)?
2. Wer hat diese Kosten im Detail übernommen?
3. Welche Kosten entstanden bislang nach Kenntnis der Bundesregierung den Verwaltungen von Ländern und Kommunen bei der Einführung der De-Mail, und mit welchen Kosten wird hier insgesamt gerechnet (bitte entsprechend aufschlüsseln)?
4. Wie viele Arbeitsstunden (pro beteiligter Person und insgesamt) hat das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in die Entwicklung der rund 600 Seiten umfassenden technischen Richtlinien investiert?
22. Welche Aufträge im Rahmen der Entwicklung von De-Mail wurden an private Dienstleister vergeben (bitte entsprechend nach Jahr, Auftragnehmer, Auftragsart bzw. Titel und Kosten aufschlüsseln)?

Und noch etwas interessierte die Abgeordneten — die Beteiligung des „US-amerikanischen Spionagedienstleisters Computer Sciences Corporation (CSC)„:

23. Welche Aufträge im Rahmen von De-Mail wurden an CSC oder deren deutsche Töchterfirmen vergeben (bitte nach Jahr, Auftragsart bzw. Titel und Kosten aufschlüsseln)?

Die Bundesregierung erklärt wortreich, warum sie sich hier grundsätzlich nicht in die Karten gucken lassen möchte, und nur einzelne Fragen (öffentlich) beantwortet:

Vorbemerkung der Bundesregierung
Die Bundesregierung ist bei der Beantwortung von Fragen aus dem Parlament verfassungsrechtlich insbesondere dazu verpflichtet, die Grundrechte Dritter zu wahren. Hierunter fallen auch die von Artikel 12 Absatz 1 und Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG), im Übrigen nach Artikel 2 Absatz 1 GG geschützten Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Empfänger von Beratungsleistungen und beauftragten Beratungsunternehmen. „Als Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse werden alle auf ein Unternehmen bezogenen Tatsachen, Umstände und Vorgänge verstanden, die nicht offenkundig, sondern nur einem begrenzten Personenkreis zugänglich sind und an deren Nichtverbreitung der Rechtsträger ein besonderes Interesse hat.“ (BVerfGE 115, 205/230 zum Schutz aus Artikel 12 GG). Auftragnehmer, Auftragsinhalt sowie die entsprechenden Kosten der Aufträge stellen dem Wesen nach derartige Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse dar, gerade auch in der hier abgefragten, auf die Einzelaufträge und deren Gesamtheit bezogenen Zusammenstellung. Für diejenigen, die über Kenntnisse der Branchenüblichkeit verfügen, lassen die Angaben auch Rückschlüsse auf Umfang und Kostenstruktur der jeweiligen Leistungserbringer zu.
Rückblickend für einen Zeitraum von fast zehn Jahren zu entscheiden, ob in Einzelfällen eine Wettbewerbsrelevanz entfallen ist, wäre nicht möglich, ohne alle Auftragsverhältnisse im Detail zu beurteilen. Auch wäre es wegen des betroffenen Zeitraums von fast zehn Jahren im Rahmen der für die Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich, von allen betroffenen Auftragnehmern eine Einwilligung zur offenen Mitteilung der Honorare zu erhalten.
Vor diesem Hintergrund kann eine Beantwortung zu den Fragen 1, 2, 22
und 23 nach sorgfältiger Abwägung des Informationsinteresses der Abgeordneten des Deutschen Bundestages einerseits und der angesprochenen Geheimschutzinteressen andererseits nicht in einer zur Veröffentlichung bestimmten Bundestagsdrucksache erfolgen.
Unter entsprechender VS-Einstufung werden die Angaben (Anlagen 1 und 2) daher gesondert übersandt. Darüber hinaus werden ergänzende Informationen zur Beantwortung der Frage 24 (Anlage 3) ebenfalls unter der Einstufung „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ gesondert übersandt.*

 

*Das Bundesministerium des Innern hat die Antwort als „VS – Nur für den Dienstgebrauch“ eingestuft. Die Antwort ist im Parlamentssekretariat des Deutschen Bundestages hinterlegt und kann dort von Berechtigten eingesehen werden.

Sie beantwortet daher nur die Fragen 3 und 4, und zwar wie folgt:

3. Welche Kosten entstanden bislang nach Kenntnis der Bundesregierung den Verwaltungen von Ländern und Kommunen bei der Einführung der De-Mail, und mit welchen Kosten wird hier insgesamt gerechnet (bitte entsprechend aufschlüsseln)?
Die Bundesregierung hat keine Kenntnisse darüber, welche Aufwendungen in den Ländern und Kommunen im Zusammenhang mit der Einführung von De-Mail entstanden sind und erwartet werden.

4. Wie viele Arbeitsstunden (pro beteiligter Person und insgesamt) hat das Bundesamt für die Sicherheit in der Informationstechnik (BSI) in die Entwicklung der rund 600 Seiten umfassenden technischen Richtlinien investiert?
Die nachfolgende Abschätzung berücksichtigt die Arbeitsaufwände, die eindeutig im BSI selbst für die Entwicklung der Technischen Richtlinie (TR) 01201 De-Mail aufgewendet wurden. Sie umfasst Aufwände für die Erstellung (Entwurfserstellung, Abstimmung der Zwischenergebnisse und Einarbeitung der entsprechenden Änderungsvorschläge) der entsprechenden TR bis zu ihrer Erstveröffentlichung im Frühjahr 2011 (Veröffentlichung im Bundesanzeiger am 5. April 2011).
Der ermittelte Arbeitsaufwand seit 2008 bis zur Fertigstellung und Veröffentlichung der TR 01201 De-Mail im Frühjahr 2011 innerhalb des BSI beläuft sich auf ca. zwei Personen-Jahre [Berechnungsgrundlage: 200 PT/Jahr]. Die geleisteten Aufwände können nach über vier Jahren nicht mehr einzelnen Personen
zugeordnet werden.

Eine erste Antwort auf Frage 23 hatte netzpolitik.org entdeckt — in der die Bundestags-Drucksache 17/14647 mit der Antwort des BMI auf eine Kleine Anfrage der LINKEN über das „Ausmaß der Vergabe von Aufträgen der Bundesregierung an externe Dritte“. Auch diese nennt aber nur Teile dessen, was hier erfragt wurde.