GMX darf mit dem Slogan „De-Mail – Die amtliche E-Mail“ werben. Die entsprechende Entscheidung des OLG Köln (Urteil vom 17. Mai 2013 – 6 U 174/12 –, JurPC Web-Dok. 107/2013 = BeckRS 2013, 10438) ist mittlerweile online verfügbar.
Die Deutsche Post („ein weltweit tätiges Post- und Logistikunternehmen“, das sich „auch auf dem Gebiet der sicheren elektronischen Kommunikation“ betätigt, und zwar „durch das Produkt E-Postbrief“) hatte die im März 2011 auf GMX.net geschaltete Werbung für DE-Mail beanstandet: Zum einen sei die Überschrift „die amtliche E-Mail“ irreführend, und zum anderen der Zusatz „Kostenlos anmelden!“, weil der Dienst vor der Akkreditierung von United Internet noch gar nicht genutzt werden konnte.
Das OLG gab der Post – anders als die Vorinstanz im einstweiligen Verfügungsverfahren (LG Köln, Beschluss vom 22. März 2011 – 31 O 157/11 – und Urteil vom 10. November 2011 – 81 O 41/11 –) wie im Hauptsacheverfahren (LG Köln, Urteil vom 6. September 2012 – 81 O 25/12 –) nur zum Teil Recht.
Zwar sei es nicht richtig gewesen, den Dienst mit „Kostenlos anmelden!“ als sofort verfügbar darzustellen, noch bevor die Akkreditierung erteilt worden war. Der Stand der Akkreditierungsverfahren sei gewöhnlichen Verbrauchern auch nicht bekannt gewesen. (Dass es in der Anzeige „Sichern Sie sich jetzt Ihre persönliche Adresse!“ heißt, was ja durchaus nahelegen kann, dass die Adresse jetzt gesichert werden könne, um später genutzt zu werden, problematisiert das OLG nicht.)
Es sei aber nicht irreführend, dass GMX die De-Mail als „die amtliche E-Mail“ bezeichnet habe. Die angesprochenen Verbraucher würden
den Begriff „amtlich“ so verstehen, dass die De-Mail (1) für Nachrichten von und an Behörden einschließlich förmlicher Zustellungen verwendet werden kann und dass sie (2) aufgrund eines behördlichen Verfahrens zugelassen worden ist. Beide Voraussetzungen sind – inzwischen – hinsichtlich des De-Mail-Dienstes der Beklagten gegeben.
Es sei fernliegend anzunehmen,
dass ein Verbraucher auf den Gedanken kommen könnte, er könne bei Nutzung des De-Mail-Dienstes der Beklagten „hoheitliche“ Mitteilungen […] versenden, mithin seiner Nachricht inhaltlich einen hoheitlichen Charakter verleihen, so dass sie von den Wirkungen her der Nachricht einer Behörde gleichzustellen wäre. Auch dem durchschnittlich informierten Verbraucher ist bekannt, dass es sich bei der Beklagten um ein privatwirtschaftliches Unternehmen handelt. Es besteht aus seiner Sicht kein Anlass, anzunehmen, ein solches Unternehmen könne ihm eine Rechtsstellung vergleichbar der einer Behörde verschaffen.
Der Eindruck dagegen, bei dem Produkt der Beklagten handele es sich um eine „hoheitlich erbrachte“ Dienstleistung, sei nicht irreführend:
Gemäß § 5 Abs. 6 De-Mail-G ist die Beklagte als akkreditierter Anbieter verpflichtet, elektronische Nachrichten nach den Vorschriften der Prozessordnungen und der Gesetze, die die Verwaltungszustellung regeln, förmlich zuzustellen. Im Umfang dieser Verpflichtung ist sie mit Hoheitsbefugnissen als beliehener Unternehmer ausgestattet (§ 5 Abs. 6 S. 2 De-Mail-G). Die De-Mail stellt daher, soweit förmliche Zustellungen in Rede stehen, tatsächlich eine hoheitliche Dienstleistung dar. Ein darüber hinausgehendes Fehlverständnis – etwa des Inhalts, dass ein Verbraucher annehmen könnte, jede von ihm versandte De-Mail auch an eine Privatperson sei nunmehr eine förmliche Zustellung im Sinn dieser Vorschrift – ist nicht anzunehmen. Ebensowenig, wie ein Verbraucher annehmen wird, er könne nunmehr selber inhaltlich wie eine Behörde handeln, wird er annehmen, jede von ihm versandte De-Mail stelle eine förmliche Zustellung dar.
Auch der Eindruck, es handele sich bei dem De-Mail-Dienst der Beklagten um eine „hoheitlich genehmigte“ E-Mail, sei aufgrund der Akkreditierung nach § 18 De-Mail-Gesetz nicht falsch.
Und schließlich könne
eine Irreführung auch nicht mit der Begründung angenommen werden, der Verbraucher werde erwarten, eine mit „amtlich“ beworbene De-Mail weise eine besondere Verbindlichkeit auf, wie es seitens der Klägerin in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat in Erwägung gezogen worden ist. Anders als in dem Urteil des Senats vom 3. 2. 2012 (6 U 168/11) betreffend die Werbung mit der Verbindlichkeit eines E-Post-Briefes wird in der beanstandeten Werbung gerade kein Bezug zu einem „herkömmlichen“ Brief hergestellt. Vielmehr wird nur die E-Mail in Bezug genommen, die gerade keine besondere rechtliche Verbindlichkeit für sich in Anspruch nehmen kann. Die angesprochenen Verkehrskreise werden daher die Werbung lediglich dahingehend verstehen, dass der De-Mail-Dienst der Beklagten gegenüber herkömmlichen E-Mail-Diensten, wie sie ebenfalls von der Beklagten angeboten werden, eine höhere Verbindlichkeit aufweist. Diese Vorstellung ist aber nicht irreführend (vgl. § 126a Abs. 1 BGB in Verbindung mit § 6 Abs. 1 De-Mail-G).
Der Klammerzusatz irritiert. Die darin genannten Vorschriften stehen nicht nur zueinander in keinem sachlichen Zusammenhang – sie haben auch mit der im Satz angesprochenen „höheren Verbindlichkeit“ nicht wirklich etwas zu tun.
Nach § 126a Abs. 1 BGB kann die Schriftform nur mit einer qualifiziert signierten Erklärung, das heißt gerade nicht durch eine De-Mail-Nachricht, erfüllt werden:
§ 126a BGB. Elektronische Form. (1) Soll die gesetzlich vorgeschriebene schriftliche Form durch die elektronische Form ersetzt werden, so muss der Aussteller der Erklärung dieser seinen Namen hinzufügen und das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.
Daran ändert auch § 6 Abs. 1 De-Mail-Gesetz nichts, der sich lediglich mit dem Identitätsbestätigungsdienst befasst:
§ 6 De-Mail-Gesetz. Identitätsbestätigungsdienst. (1) Der akkreditierte Diensteanbieter kann einen Identitätsbestätigungsdienst anbieten. Ein solcher liegt vor, wenn sich der Nutzer der nach § 3 hinterlegten Identitätsdaten bedienen kann, um seine Identität gegenüber einem Dritten, der ebenfalls Nutzer eines De-Mail-Kontos ist, sicher elektronisch bestätigen zu lassen. Die Übermittlung der Identitätsdaten erfolgt mittels einer De-Mail-Nachricht, die der akkreditierte Diensteanbieter im Auftrag des Nutzers an den Dritten, welchem gegenüber er seine Identitätsdaten mitteilen möchte, sendet. Die De-Mail-Nachricht wird durch den akkreditierten Diensteanbieter mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz versehen.
Diesen – fakultativen (Skrobotz, in: Manssen, TKM, K § 1 Rdnr. 75 und K § 6 Rdnr. 3) – Dienst bietet freilich keiner der akkreditierten Anbieter an.
Im Übrigen soll die De-Mail gerade neben die elektronische Signatur treten. Aus dem Kommentar (Skrobotz ebd., K § 1 Rdnr. 49):
Die Signatur sei [nach der Gesetzesbegründung] das Äquivalent zur handschriftlichen Unterschrift und diene damit zunächst der Erfüllung der Schriftform etwa nach § 126a BGB, § 3a VwVfG, § 36a SGB I und § 87a AO. De-Mail-Dienste böten die Möglichkeit sicherer und nachvollziehbarer Kommunikation einschließlich des Nachweises des Versands und des Empfang elektronischer Nachrichten sowie der Identität der Kommunikationspartner. Soweit Schriftformvorgaben bestünden, könne die Signatur ergänzend eingesetzt werden (BT-Drs. 17/3630, 19; …)
Allerdings: Noch nicht zum Zeitpunkt der Werbung im März 2011 oder auch im Moment der Entscheidung im Mai 2013, wohl aber künftig kommt der De-Mail besondere Verbindlichkeit gegenüber einer einfachen E-Mail zu. Mit dem nun verabschiedeten E-Justiz-Gesetz soll die ZPO um einen neuen § 371a ZPO ergänzt werden, der zugunsten der De-Mail einen Anscheinsbeweis der Echtheit begründet. Und im materiellen Recht öffnet das E-Government-Gesetz die oben genannten Vorgaben des öffentlichen Rechts wie etwa § 3a VwVfG für die De-Mail.
Der im Urteil des OLG genannten Entscheidung des Senats vom 3. Februar 2012 zur Irreführung der Werbung für den „verbindlichen“ E-Postbrief ging voraus das Urteil des LG Köln vom vom 30. Juni 2011 – 14 O 17/11 –, MMR 2011, 747. Sie wird ebenda besprochen von Sönke E. Schulz.
[Nachtrag 2013-11-01] Die Entscheidung wird ähnlich – bis in einzelne Formulierungen und Gedanken – wie hier doch ausführlicher besprochen von Matthias Försterling in der MMR 10/2013 S. 653. Er weist m. E. zutreffend darauf hin, dass a) das Attribut „amtlich“ von vielen Nutzern auch so verstanden werden kann, dass der Dienst hoheitlich, das heißt durch eine Behörde erbracht wird. Und richtig ist zwar b), dass De-Mail-Anbieter nicht „hoheitlich genehmigt“ werden. In erster Linie stellt die Akkreditierung eine „amtliche“ Bestätigung vorab geprüfter „Sicherheit“ dar („Qualitätssicherungsmechanismus“). Darüber hinaus aber eröffnet erst sie den Zugang zum geschlossenen De-Mail-Verbund. Insoweit kann man wohl wirklich von einer „Genehmigung“ sprechen. Die Formulierung Försterlings, dass „die Akkreditierung … die grundsätzliche Zulässigkeit der Diensteerbringung nicht tangiert“, dürfte also etwas zu weit geraten sein. [/Nachtrag]