De-Mail im Rechnungsprüfungsausschuss

heise.de berichtet über eine Nachricht des Tagesspiegels: Der Bundesrechnungshof hat sich in einer nicht veröffentlichten Ausschussvorlage an den Rechnungsprüfungsausschuss des Deutschen Bundestages gewandt, der hierüber am 18. November 2022 (nicht öffentlich) beraten hat.

Hintergrund ist der Bericht der Rechnungsprüfer 2021, in dem sie dem BMI vorrechneten, dass das vollmundige Versprechung der Geldeinsparung durch De-Mail nicht aufgegangen ist:

[Das BMI] erwartete, dass diese innerhalb der ersten vier Jahre nach der Einführung bis zu 6 Millionen De-Mails versenden würden. Gegenüber der Briefpost sollte De-Mail in den Jahren 2016 bis 2019 bis zu 3,5 Mio. Euro einsparen. Tatsächlich versandten die Behörden des Bundes in diesem Zeitraum nur 6 000 anstatt der erwarteten 6 Millionen De-Mails. Sie sparten demnach knapp 3 500 Euro ein. In den Jahren 2011 bis 2020 gab der Bund für De-Mail mindestens 6,5 Mio. Euro aus.

Bericht der Rechnungsprüfer 2021, BT-Drs. 20/180 S. 102

Dem vorangegangen war der Bericht über die Prüfung 2019, in der der Bundesrechnungshof schon einmal die ernüchternden Zahlen sprechen ließ:

Gemäß dem ersten Szenario [des BMI 2012] sollte der Nutzungsgrad für den Zeitraum von fünf Jahren nach Einführung auf 9 750 000 De-Mails steigen. Das zweite Szenario wies 4 875 000 De-Mails aus. …
Ab dem Jahr 2014 evaluierte und berichtete das BMI mehrmals zu De-Mail in der Bundesverwaltung. Mit seiner Erhebung im Sommer 2016 berichtete es von 86 versandten De-Mails.
Dem Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik lagen ab September 2016 Statistiken vor. Bis Mai 2019 versandte die Bundesverwaltung 6 019 De-Mails über das zentrale De-Mail-Gateway. … Durchschnittlich haben die [Bundes]behörden [in der gesamten Zeit also] ca. 154,7 De-Mails empfangen und ca. 81,8 versandt.

Bundesrechnungshof, Abschließende Mitteilung Über die Prüfung zur De-Mail 2019

Dieses Gateway allein schlägt nach dem im Jahr 2012 vom BMI entwickelten Betriebskonzept mit kalendertäglichen 1.000 € zu Buche.

Im ersten Nutzungsjahr versandte die Bundesverwaltung 472, im zweiten Nutzungsjahr 2.675, im dritten Nutzungsjahr 2 014 und im vierten Nutzungsjahr 858 De-Mails über das zentrale De-Mail-Gateway.

Bundesrechnungshof, Abschließende Mitteilung Über die Prüfung zur De-Mail 2019

Im Ergebnis fand der Rechnungshof schon damals erstaunlich deutliche Worte zur Zukunft der Technologie: Das BMI solle das Vorhaben De-Mail gänzlich neu bewerten. „Dabei sollte die Bundesregierung auch die Option betrachten, De-Mail als rechtssicheres elektronisches Kommunikationsmittel nicht weiter zu verfolgen.“

Ob die Bundesregierung diese Option betrachtet hat, wissen wir nicht — sie hat sich jedenfalls nicht zur Einstellung des Projektes durchringen können, und hielt noch 2021 daran fest. Das kritisierte der Bundesrechnungshof in seinem Bericht deutlich und wiederholte im letzten Satz die kaum verhohlene Forderung, die nicht wirtschaftliche De-Mail aufzugeben.

Und noch immer ist dies nicht erfolgt. Daran hat auch die Aufgabe des „toten Gauls“ durch die Telekom als dem größten De-Mail-Anbieter nichts geändert. Vielmehr entstanden nun neue Bedarfe: die Adressen und Postfächer mussten zu einem der verbliebenen Anbieter umgezogen werden — laut heise.de zu Francotyp-Postalia („Wir halten an der De-Mail fest!“). (Frag den Staat möchte gern den zugrundeliegenden Rahmenvertrag haben.) Die Länder dagegen nutzen vorwiegend 1&1 — auch die Justiz mit dem De-Mail-Gateway zum EGVP.

Die Hartleibigkeit des BMI wurmt den Rechnungshof ersichtlich. Entsprechend ist die Eskalation zum Parlament die wahre Nachricht.